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Der Stickstoffkreislauf – warum ein Gleichgewicht wichtig ist

6 min.

Stickstoff ist für das Leben auf unserem Planeten von grundlegender Bedeutung. Es ist einer der wichtigsten Nährstoffe und unverzichtbar für lebende Organismen. Obwohl gasförmiger Stickstoff etwa 78 % des Volumens der Erdatmosphäre ausmacht, ist er in dieser Form für die meisten Organismen weitgehend unzugänglich und muss in reaktive Formen umgewandelt werden. In diesem Artikel wird die Bedeutung von Stickstoff für das Ökosystem der Erde erörtert und dargelegt, wie menschliche Aktivitäten das Gleichgewicht des Stickstoffkreislaufs verschieben, was möglicherweise schlimme Folgen haben kann. Außerdem wird veranschaulicht, wie mittels Stabilisotopenanalyse aussagekräftige Daten generiert werden können, um die Bewegung von Nitraten durch den globalen Stickstoffkreislauf besser zu verstehen.

 

Der globale Stickstoffkreislauf

Die Art und Weise, wie Stickstoff sich durch die ökologischen Systeme der Erde (Atmosphäre, Biosphäre, Hydrosphäre und Geosphäre) bewegt und umwandelt wird als globaler Stickstoffkreislauf bezeichnet, der für die Erhaltung des Lebens auf unserem Planeten von grundlegender Bedeutung ist. Dieser natürliche Kreislauf wird durch Prozesse wie Stickstofffixierung, Nitrifikation und Denitrifikation angetrieben, bei denen Stickstoff zwischen verschiedenen chemischen Verbindungen umgewandelt wird, die das Leben unterstützen und das ökologische Gleichgewicht aufrechterhalten. Beispielsweise wandelt eine ausgewählte Gruppe von Organismen N2 aus dem riesigen Gasvorrat der Atmosphäre in reaktive Verbindungen wie Ammoniak um, die anschließend von Pflanzen und anderen Organismen genutzt werden, um zu wachsen und zu gedeihen. Gruber und Galloway haben diesen globalen Stickstoffkreislauf – einschließlich aller wichtigen Prozesse, die molekularen Stickstoff in reaktiven Stickstoff und wieder zurück umwandeln – in ihrem Nature-Artikel von 2008 (Abbildung 1)1 dargestellt. Dabei wird auch die immense Masse an reaktiven Stickstoffspezies deutlich ersichtlich, die menschliche Aktivitäten zu diesem fragilen Gleichgewicht beitragen.

Ungleichgewicht des Stickstoffkreislaufs

Die wachsende Weltbevölkerung und die immer höhere Nachfrage nach Nahrungsmitteln resultieren in verschiedenen menschlichen Aktivitäten, die eine massive Beschleunigung des natürlichen reaktiven Stickstoffkreislaufs verursacht haben. Dadurch hat sich der Eintrag von reaktivem Stickstoff in das Ökosystem der Erde ungefähr verdoppelt. Ca. die Hälfte der Gesamtmenge lässt sich auf Düngemittel zurückführen, die genutzt werden, um die wachsende Weltbevölkerung ernähren zu können. Dies hat dazu geführt, dass unser globaler Stickstoffkreislauf über das Maß hinausgeht, das von vielen Fachleuten als unbedenklich angesehen wird, wobei die Konzentrationen reaktiver Formen von Stickstoff – insbesondere Nitrat – zunehmend nicht nur in Oberflächengewässern, sondern auch im Grundwasser beobachtet werden. Dr. Ben Surridge, Biogeochemiker und Dozent an der Lancaster University in Großbritannien, erklärte: „An vielen Orten auf der Welt ist das Grundwasser tatsächlich zu einem Vorrat an reaktiven Stickstoffverbindungen geworden, die nach und nach ins Oberflächenwasser freigesetzt werden. Leider wird sich dieser Zustand vermutlich noch Jahrzehnte fortsetzen, ungeachtet der aktuellen Korrekturstrategien an der Erdoberfläche. So ist beispielsweise seit mehr als 140 Jahren ein Anstieg der Nitratkonzentration in der Themse zu beobachten3, wobei die Anstiege in den frühen 1970er Jahren vermutlich auf eine verzögerte Zufuhr durch das Grundwassersystem aufgrund der Zunahme der Nitratansammlung Jahrzehnte zuvor zurückzuführen sind. Diese Ergebnisse werden durch andere Untersuchungen gestützt, die einen Anstieg der Nitratkonzentration in Kreide-, Kalkstein- und Sandsteingrundwasserleitern in ganz Großbritannien belegen, wobei andere Länder auf der ganzen Welt vor ähnlichen Herausforderungen stehen.“4,5

 

Folgen der Störungen des Stickstoffkreislaufs

Die Auswirkungen menschlicher Einflüsse auf den reaktiven Stickstoffkreislauf sind weitreichend und reichen vom Verlust der Artenvielfalt bis zur Versauerung des Bodens und können sogar die menschliche Gesundheit direkt beeinträchtigen. Dr. Surridge erklärt: „Die vielleicht bedeutendsten Folgen ergeben sich aus der Eutrophierung; übermäßiges Pflanzen- oder Algenwachstum infolge der Ansammlung von reaktivem Stickstoff (oder anderen natürlich einschränkenden Wachstumsfaktoren) in verschiedenen Ökosystemen. Algenblüten sind vielleicht der am häufigsten gemeldete Indikator für dieses Phänomen und können Süßwasser- oder Meeresökosysteme beeinträchtigen und ein Risiko für Wildtiere, Haustiere, Vieh und in einigen Fällen auch für Menschen darstellen.“

Die Blaualgenblüte im Lough Neagh – dem größten See der Britischen Inseln – war im Jahr 2023 ein Paradebeispiel für die Zerstörung durch Eutrophierung, die zum Teil auf den Nährstoffeintrag aus der Landwirtschaft zurückgeführt wurde.6

Photo of a statue of the 'protector of Loch Neagh', a humanoid figure holding an outline of the Loch, with the Loch in the background.

Eine der weitreichendsten Folgen von Algenblüten ist Hypoxie – ein niedriger Gehalt an gelöstem Sauerstoff in Gewässern – die häufig in Küstengewässern sowie einigen Seen auftritt. Dr. Surridge fügte hinzu: „Die Zahl der bekannten hypoxischen Küstengebiete ist in den letzten sechs Jahrzehnten exponentiell gestiegen und umfasst mehr als 500 Standorte sowie eine Fläche von über einer Viertelmillion Quadratkilometern.7 Diese ‚toten Zonen‘ stellen ein erhebliches Risiko für aquatische Ökosysteme dar, einschließlich des Verlusts von Meereslebewesen und Artenvielfalt. Ein prominentes Beispiel ist die Todeszone im Golf von Mexiko. Dieses Phänomen wird seit den 1980er Jahren beobachtet und ist das Ergebnis des Eintrags von Stickstoff und Phosphor in den Mississippi und schließlich in die Küstenregion. Störungen des Stickstoffkreislaufs in Süßwassern können zudem zur Versauerung führen, aquatische Ökosysteme schädigen und einen Rückgang der natürlichen Artenvielfalt zur Folge haben.“

 

Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit

Die Auswirkungen reaktiver Stickstoffspezies, insbesondere Nitrat, auf die menschliche Gesundheit werden noch immer heftig diskutiert. Es wurden verschiedene Zusammenhänge vermutet (darunter auch verschiedene Krebsarten), aber der vielleicht bekannteste davon ist der mögliche Zusammenhang zwischen Nitrat und Methämoglobinämie bei Säuglingen, einer lebensbedrohlichen Blutkrankheit. Diese Bedenken haben zu strengen Grenzwerten für Nitrat im Trinkwasser geführt.

 

Wissen ist der Schlüssel

Die Bemühungen, den Stickstoffkreislauf wieder ins Gleichgewicht zu bringen, sind daher wichtig, um Auswirkungen zu reduzieren sowie ein gesundes und nachhaltiges Ökosystem zu fördern. Dies kann nur erreicht werden, wenn wir die einzelnen Quellen reaktiven Stickstoffs in Ökosystemen kennen und ihre Auswirkungen verstehen. Um diese Erkenntnisse zu gewinnen, ist die Stabilisotopenanalyse oft der erste Schritt. Seit den 1970er Jahren ist die Stabilisotopenanalyse von Nitrat möglich; etabliert ist die Technik seit der Entwicklung eines einfachen Dual-Isotopen-Diagramms (Abbildung 2) von Dr. Carol Kendall in den 1990er Jahren. Mithilfe dieses Diagramms konnten Forschende die voraussichtlichen Nitratquellen in Umweltproben schnell identifizieren und charakterisieren. Ausführliche Informationen hierzu erfahren Sie in unserem Artikel „Celebrating 25 Years of Dr Carol Kendall’s Dual Isotope Plot of Nitrate Sources“. Die zur Erstellung dieses Diagramms verwendeten Daten stammen aus globalen Quellen, es ist jedoch wichtig, auch lokale Kontaminationsquellen zu untersuchen, um Änderungen auf regionaler oder lokalerer Ebene umsetzen zu können. Dies unterstreicht die Notwendigkeit schneller und kostengünstiger Ansätze zur Durchführung von Dualisotopenanalysen, die dazu beitragen können, viele der bereits genannten Herausforderungen zu bewältigen.

Box plot chart by Carol Kendall, which shows the different sources of nitrate based on a comparison of their isotopic values.
Abbildung 2: Das „Kendall-Diagramm“ wurde entwickelt, um die potenziellen Quellen von Nitrat in der Umwelt visuell zusammenzufassen.

Große Mengen an Umweltproben können mit Stabilisotopenanalysatoren wie unserem EnvirovisION gemessen und somit Einblicke in die Nitratbelastung generiert werden. Diese Daten können verwendet werden, um Regionen zu identifizieren, in denen Nitrat ein Problem darstellt. In Kombination mit dem Kendall-Diagramm können so potenzielle Nitratquellen identifiziert werden. Diese Techniken können außerdem Daten liefern, die bei der Modellierung künftiger Szenarien sowie bei der Entwicklung und Umsetzung von Strategien helfen, mit denen der Stickstoffkreislauf wieder ins Gleichgewicht gebracht werden soll.

 

Referenzen

  1. Gruber N, Galloway J. An Earth-system perspective of the global nitrogen cycle. Nature. 451, 293–296 (2008). https://doi.org/10.1038/nature06592
  2. Richardson K, Steffen W, Lucht W, et al. Earth beyond six of nine planetary boundaries. Sci Adv. 2023;9(37). doi:10.1126/SCIADV.ADH2458
  3. Howden NJK, Burt TP, Worrall F, et al. Nitrate pollution in intensively farmed regions: What are the prospects for sustaining high-quality groundwater? Water Resour Res. 2011;47(11). doi:10.1029/2011WR010843
  4. Wang L, Stuart ME, Lewis MA, et al. The changing trend in nitrate concentrations in major aquifers due to historical nitrate loading from agricultural land across England and Wales from 1925 to 2150. Science of the Total Environment, The. 2016;542:694-705. doi:10.1016/j.scitotenv.2015.10.127
  5. DeSimone LA, McMahon PB, Rosen MR. The quality of our Nation’s waters: Water quality in principal aquifers of the United States, 1991-2010. Circular. Published online 2015. doi:10.3133/CIR1360
  6. EUMETSAT. (2023) Lough Neagh algal bloom. https://user.eumetsat.int/resources/case-studies/loch-neagh-algal-bloom. Aufgerufen am 31. Juli 2024.
  7. Dai M, Zhao Y, Chai F, et al. Persistent eutrophication and hypoxia in the coastal ocean. Cambridge Prisms: Coastal Futures. 2023;1:e19. doi:10.1017/CFT.2023.7
  8. Kendall C, McDonnell JJ. Isotope Tracers in Catchment Hydrology. Elsevier; 1998. 

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