Kohle aus der Biotonne: Klimaneutrale Energieerzeugung
Klimaneutrale Energieerzeugung ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Die globale Verteilung der Energiegewinnung nach Energieträgern für das Jahr 2021* zeigt, dass fossile Brennstoffe noch immer den größten Anteil ausmachen. Erneuerbare Energien sind jedoch zunehmend auf dem Vormarsch. Da der Energiebedarf bis 2050 erwartungsgemäß weiter ansteigen wird, hat der Ausbau erneuerbarer Energien höchste Priorität. Aus diesem Grund konzentrieren sich weltweit viele Forschende darauf, neue und effiziente Möglichkeiten zur klimaneutralen Energieerzeugung zu finden.
Eines dieser Forschungsprojekte wurde an der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe durchgeführt. Hier wurde eine innovative Methode entwickelt, mit der Klärschlamm und Gülle in potenziell nutzbare Biokohle umgewandelt werden. Diese Biokohle weist ähnliche Eigenschaften wie Braunkohle auf. Der hoch effiziente Abfallaufbereitungsprozess könnte eine neue Möglichkeit zur Gewinnung eines umweltfreundlichen Festbrennstoffs eröffnen. Der Vorteil dieser Methode besteht in der Nutzung von Rohstoffen, die sich andernfalls nicht für die nachhaltige Energieerzeugung eignen würden.
*Quelle: Statista
Eine potenzielle Quelle für nachhaltige Festbrennstoffe
Geleitet wurde das Projekt von Prof. Hans-Günter Ramke. Er ist Leiter des Fachgebiets Abfallwirtschaft und Deponietechnik im Fachbereich Umweltingenieurwesen und Angewandte Informatik an der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe.
Basierend auf einer Studie des Max-Planck-Instituts für Kolloid- und Grenzflächenforschung zur Gewinnung von Biokohle aus organischen Materialien hatte es sich das Team um Prof. Ramke zum Ziel gesetzt, eine neue Methode zur Umwandlung von kommunalen Abfällen in einen nutzbaren Brennstoff zu entwickeln. Dieses Projekt bot großes Potenzial, einen wichtigen Beitrag zur Lösung einer der größten Herausforderungen unserer Zeit zu leisten – der umweltfreundlichen Energieerzeugung.
Prof. Dr.-Ing. Hans-Günter Ramke ist seit 1998 Leiter des Fachgebietes für Abfallwirtschaft und Deponietechnik im Fachbereich Umweltingenieurwesen und Angewandte Informatik der Technischen Hochschule Ostwestfalen- Lippe am Standort Höxter.
In der ersten Testphase untersuchte das Team von Prof. Ramke hauptsächlich Abfallprodukte, die sich nur schwer entsorgen lassen, darunter Klärschlamm und landwirtschaftliche Abfälle wie Stroh, Gülle und Jauche. Aber auch industrielle und gewerbliche Abfallprodukte wie Rübenschnitzel, Treber und Kaffeesatz sowie Bäckereiabfälle und Essensreste wurden in den Tests verwendet.
Die Forschenden nutzten hierfür die Methode der hydrothermalen Carbonisierung (HTC). Bei dem HTC Verfahren werden die halbfesten organischen Abfälle unter Druck über mehrere Stunden auf Temperaturen zwischen 180 °C und 240 °C erhitzt – ähnlich wie in einem Schnellkochtopf. Dabei entsteht sogenannte Biokohle, die ähnlich wie Braunkohle aussieht und einen hohen Kohlen- und Wasserstoffgehalt aufweist.
Bei diesem Verfahren passiert Erstaunliches: Biomasse wird zu einem braunkohleartigen Material.
Laut Prof. Ramke und seinem Team verfügt diese HTC-Biokohle über einen höheren Brennwert als das Ausgangsmaterial, mit ähnlich guten Brennwerten wie Braunkohle. Das Material das entsteht, ist erst einmal eine Biokohle-Suspension mit einem hohen Wassergehalt. Diese Masse ist viel besser entwässerbar, als es das ursprüngliche organische Material wäre. Das macht das HTC-Verfahren so interessant, denn dadurch kommen bestimmte Biomassen stärker für eine energetische Verwendung in Frage. Bei der Erzeugung der Biokohle werden die organischen Abfälle in eine stabile Form umgewandelt, sodass der Kohlenstoff nicht in die Atmosphäre gelangen kann. Somit bietet das Verfahren zusätzlich den sonstigen Umweltvorteilen eine effiziente Methode zur Kohlenstoffsequestrierung.
Funktionsweise der Hydrothermalen Carbonisierung (HTC)
Qualitätskontrolle des neuen Festbrennstoffs
Bei der Entwicklung einer neuen Methode für die Brennstoffproduktion spielt die Qualitätssicherung der Endprodukte eine wichtige Rolle. Prof. Ramke wurde schnell klar, dass die Standardanalysemethoden für Abfallwirtschaft nicht auf das HTC-Verfahren übertragbar waren.
Das Team versuchte zunächst, die Qualität der Endprodukte anhand des Wassergehalts, des Glühverlusts, der Konzentration des gesamten organischen Kohlenstoffs (TOC) und des Brennwerts zu ermitteln. Dies lieferte jedoch keinen Aufschluss über die Effektivität des Carbonisierungsprozesses. Dementsprechend hat sich das Team für eine CHNS-Analyse (Kohlenstoff, Wasserstoff, Stickstoff und Schwefel) mithilfe eines vario MACRO (Vorgängermodell des vario MACRO cube) entschieden.
Mit dem vario MACRO hatte das Team die Möglichkeit, die Veränderung in den Wasserstoff-/Kohlenstoff- sowie den Sauerstoff-/Kohlenstoffverhältnissen zu messen. Durch diese Messung konnte das Forscherteam nachweisen, dass die HTC-Methode den Kohlenstoffgehalt und die Energiedichte - und somit auch den Brennwert – der Biokohle erhöht während Wasser und CO2 abgeschieden werden.
Mithilfe des liquiTOC, der ebenso wie das Nachfolgegerät soli TOC® cube auf das Temperaturrampenverfahren setzt, konnte das Team den organischen Kohlenstoffgehalt der Biokohle noch genauer bestimmen. Dies war ein weiterer Faktor zur Bewertung der Qualität des Endprodukts.
Die Zukunft der HTC-Methode
Dank der Innovationskraft des Teams an der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe wurde eine neue, praktikable Methode zur Gewinnung eines klimaneutralen Brennstoffs für zahlreiche kommerzielle Anwendungen entwickelt.
Nach zahlreichen Tests mit unterschiedlichen Abfallprodukten kam das Team zu dem Schluss, dass mit kohlenhydratreichen Ausgangsstoffen mit hohem Feuchtigkeitsgehalt die besten Ergebnisse erzielt werden. Hierzu zählen beispielsweise Klärschlamm, Gülle und Jauche. Somit könnte die HTC-Methode eine praktikable Lösung sein, um diese Abfallprodukte in nutzbare Biokohle umzuwandeln. Die so erzeugte Biokohle kann wiederum als Brennstoff in mittelgroßen Verbrennungsanlagen – vor allem in Zementwerken – genutzt werden, um die benötigte Prozesswärme zu generieren.
Da die Umsetzbarkeit und Effektivität der HTC-Methode durch Elementaranalytik nachgewiesen wurde, ist Prof. Ramke davon überzeugt, dass der Ansatz für industrielle und gewerbliche Anwendungen von großem Interesse sein könnte.
Jetzt ist es die Rolle der Anlagenbauer und potenzieller Nutzer, den nächsten Schritt zu gehen. Um die Wirksamkeit zu testen, haben wir eine Containeranlage entwickelt, mit der wir mobil sind und zu den Anlagenbetreibern kommen können. Dort lässt sich dann unter Praxisbedingungen erproben, wie sich das Verfahren verhält und wie man es optimal auf die jeweils vorhandenen Stoffströme anpassen kann.
Professor Hans-Günter Ramke
Erfahren Sie mehr
Detaillierte Informationen über HTC von landwirtschaftlichen Rückständen
Wenn Sie mehr über die Forschung von Professor Ramke erfahren möchten, lesen Sie die Publikation "Hydrothermal carbonization of agricultural residues", die in der Zeitschrift Bioresource Technology veröffentlicht wurde und in der das HTC-Verfahren genauer beschrieben wird.
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